Das vergessene Licht der Altstädter Kirche – Glasmalerei um 1900
ein Podcast von Nikoleta Csereová, Selma Hassold und Verena Krippner
Dieser Podcast beschäftigt sich mit vier große Chorfenstern, die zwischen den Jahren 1901 und 1905 von Erlanger Bürger und Konfirmand*innen der Altstädter Kirche gestiftet wurden. Angefertigt wurden sie von der Münchner Glasmalereiwerkstatt des Künstlers Gustav van Treeck. in die 1960er Jahre befanden sich die Fenster in der Kirche, dann wurden sie allerdings bei Renovierungsarbeiten entfernt, weil sie den Raum zu sehr verdunkelten und nicht mehr als modern angesehen wurden. Seitdem galten die Fenster als verschollen. Erst mehrere Jahrzehnte später fand man bei der Inventarisierung des Dachbodens der Kirche zwei Fenster wieder: die Kreuzigung von Jesus und Mose mit den Gesetzestafeln.
Wenn Sie mehr über die Geschichte der Fenster, den Künstler und Glasmalerei um 1900 erfahren wollen, hören Sie mal rein! Ob in der Ausstellung direkt vor dem Fenster oder Zuhause beim Aufräumen Ihres Dachbodens – wer weiß was Sie alles entdecken könnten!
Bewegung im Kirchenraum
Dass Objekte oder gar das gesamte Inventar in einem Kirchenraum bewegt, umplatziert oder entfernt werden, ist nichts Ungewöhnliches. Dies geschah auch im Falle der der Fensterscheiben aus dem frühen 20. Jahrhundert. Zwischen den Jahren 1901 bis 1912 wurden insgesamt zwölf Fenster durch Spenden für die Altstädter Kirche angeschafft. Kaum ein halbes Jahrhundert später, in den Jahren 1960-1961, wurden sie bei einer Kirchenrenovierung wieder entfernt. Lange bleiben sie verschollen, bis zwei bei einer Inventarisierung des Dachbodens der Kirche wiedergefunden wurden. Diese Fenster kann kann man demnächst in der Ausstellung im Stadtmuseum betrachten.
Eine der Fensterscheiben zeigt die Kreuzigung Christi, die andere Moses mit den Gesetzestafeln. Moses wird hier als bärtiger Mann in langem Untergewand und weißem Mantel dargestellt. Er trägt die zwei steinernen Gesetzestafeln, auf denen römische Ziffern stehen. Den Hintergrund bildet ein dunkelblauer Himmel mit Wolken, der steinerne Weg, auf dem Moses entlang schreitet, und im kleinen Detail der Berg Sinai, wo Moses die Gesetzestafeln aus der Hand Gottes empfangen hat. Die Dramatik der Szene wird durch das ernste Antlitz Moses‘, seinem langen wallenden Bart sowie von dem flatternden Gewand verdeutlicht. Solche Dynamik der Ausdruckskraft und geschickte technische Ausführung dient als Exempel für das Können der Glasmaler zu Beginn des 20. Jahrhunderts.
Die Werkstatt van Treeck
Der Glasmaler Gustav van Treeck wurde 1854 geboren und lernte ab 1870 in Nürnberg die Technik der Glasmalerei. Die Werkstätte van Treeck befindet sich in München und besteht auch heute noch unter dem Titel der „Bayerischen Hofglasmalerei“.
Obwohl die Arbeit in Glas zumeist aus den gleichen drei Bestandteilen zusammengesetzt ist – Farbglas, Malfarbe und Bleiruten – veränderte sich die Technik natürlich im Laufe der Jahrhunderte immer weiter. Während die Glasmalerei um 1500 in Nürnberg noch ein sehr beliebtes Medium war, geriet sie in der Zeit des Barocks in Vergessenheit.
Die Werkstätte van Treeck war nun Teil der Wiederentdeckung und Weiterentwicklung der Glasmalerei im 19. Jahrhundert. In der Epoche des Historismus wurde diese wieder zu einem wichtigen Gestaltungselement der Architektur. Besonders in München entstehen viele neue Glasmalereifirmen und auch im Rest des damaligen deutschen Reiches verbreitet sich die Technik. Die Werkstätten arbeiteten nun zunehmend international. So auch die Werkstatt von Gustav van Treeck. Der Künstler reiste schon früh in Länder wie Belgien, die Niederlande und die Schweiz, um sich mit der Glasmalerei dort auseinanderzusetzen. Neues Material und neue Techniken kamen außerdem aus Frankreich, England und den USA.
Glasmalerei um 1900
Um 1900, also in der Zeit des Historismus, war die deutsche Glasmalerei besonders vielfältig. Die unterschiedlichen Techniken und Stile ließen das Kunstgewerbe florieren. Darstellungen mit vielen goldenen Verzierungen, wulstigem Ornament und gebauschten Gewändern fallen den Stilkategorien Barock und Rokoko zu. Daneben gibt es Entwürfe mit strengem Architekturrahmen und starker Farbigkeit, die der Neugotik zugeordnet werden. Einen anderen Weg zeigen die Entwicklungen des Jugendstils auf, mit verträumter Mimik der Heiligen und pastelligen Farben darf das typisch florale Ornament nicht fehlen. Die vielen unterschiedlichen Einflüsse und das Bedienen aus anderen Epochen, hinterließen dem Historismus keinen guten Ruf, man bestritt in der Nachkriegszeit die Kunstfähigkeit der Glasmaler, bezeichnete die Werke als „Kitsch“ und warf ihnen Uneigenständigkeit vor. In vielen Kirchen verschwinden die Glasmalereien bei Renovierungsarbeiten im 20. Jahrhundert - so auch in der Altstädter Kirche Erlangens. Mit dem Jubiläum rücken nun die Werke und die Diskussion um den weiteren Umgang mit den Objekten wieder in den Fokus .
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Literatur
- Anwander-Heisse, Eva: Glasmalereien in München im 19. Jahrhundert, München 1992.
- Braun, Helmut u. Scholz, Rüdiger: Spuren des Glaubens. Kirchenschätze im Erlanger Raum. Kat. Ausst. Erlangen. Nürnberg 2004.
- Butts, Barbara u. Hendrix, Lee: Painting on Light: Drawings and Stained Glass in the Age of Dürer and Holbein. Kat. Ausst. Saint Louis u. Los Angeles 2000, URL: http://www.getty.edu/publications/virtuallibrary/089236579X.html (Stand: 15.02.2021).
- Fuchs, Friedrich u. a.: Art. „Glasmalerei“. In: Lexikon für kirchliches Kunstgut. Regensburg 2010, S. 78-80.
- Land, Gisela: Die Dreifaltigkeitskirche Erlangen-Altstadt 1721-1996. Festschrift zur 275-Jahrfeier des Wiederaufbaus. Erlangen 1996.
- Ruß, Norbert: Die Glasmalerei des Historismus in Bamberg. Bamberg 2011.
- Weinrich, Matthias: Friedrich Wilhelm Wanderer – Maler, Zeichner, Kunstschriftsteller. In: URL: http://www.nuernberginfos.de/bedeutende-nuernberger/friedrich-wanderer.html (Stand:04.01.2021).
- Über uns. Seit 1887 Ihr Partner für Mosaikkunst und Glasmalerei in der Architektur. In: URL:https://www.hofglasmalerei.de/uber-uns (Stand: 15.02.2021).
- Vollmer, Hans (Hg.): Allgemeines Lexikon der Bildenden Künstler. Von der Antike bis in die Gegenwart Bd. 33. Leipzig 1939.