Elfenbeinkruzifix
ein Podcast von Carla Ehlers und Saskia Zachau
Kunstwerke aus Elfenbein waren im Europa der Frühen Neuzeit als Luxusgegenstände weit verbreitet. Mittlerweile ist der Elfenbeinhandel illegal – das Material wird nicht mehr im Kunsthandwerk verarbeitet. Vor etwa 335 Jahren durchlebte das "weiße Gold" jedoch eine lang anhaltende Blütezeit. In Nürnberg wurden pro Jahr circa 1000 Elfenbeinstoßzähne verarbeitet, darunter das Elfenbeinkruzifix der Altstädter Kirche…
Dieser Podcast geht auf das besondere Material sowie seine Reise nach Europa ein und ergründet den außergewöhnlichen Stil der Christusfigur.
Die Stiftung
Das Elfenbeinkruzifix wurde von dem kaiserlichen Notar Andreas Schmalzing gestiftet, der von 1652 bis 1707 lebte. Das Kruzifix befindet sich heute in der Altstädter Kirche in Erlangen. 1699 wurde Schmalzing wegen Betruges zu einer achtjährigen Haftstrafe verurteilt, weshalb die Stiftung des Kruzifixes teils als Buße ausgeführt wurde. Er stiftete das Kreuz, nachdem 1706 ein Stadtbrand die Kirche zerstörte.
Vergleiche
Der nüchterne Stil des Altstädter Elfenbeinkruzifixes setzt sich deutlich von dem barocken Stil anderer zeitgenössischer Elfenbeinfiguren ab. Vergleichbar ist die Christusfigur von Georg Petel, einem bekannten bayerischen Bildhauer des früh-barocken 17. Jahrhunderts. Die Körperhaltung von Petels Elfenbeinfigur wirkt aufgrund der schrägen Hüfthaltung und den angewinkelten Beinen dynamischer. Die gesamte Körperdarstellung entspricht eher einer naturnahen Wiedergabe des Körpers. Auch die Mimik des Gekreuzigten ist dynamischer und emotionaler: Die Mundwinkel sind stark nach unten gezogen, die Augen sind nach oben gedreht, während die Augenbrauen nach oben zusammengezogen sind. Die Stilabweichung des Altstädter Kruzifixes könnte mit der protestantischen Prägung der Kirche begründet werden. Liturgische Gegenstände in der protestantischen Kirche waren im Gegensatz zu katholischen Gegenständen oft schlichter.
Das Material
Die Arbeit mit Elfenbein erfreute sich insbesondere im 17. Jahrhundert großer Beliebtheit. Allein in Nürnberg wurden um 1678 pro Jahr 1000 Stoßzähne verarbeitet.
Die marktführende Kraft, welche die Verarbeitung im europäischen Raum im großen Stil ermöglichte, war die 1621 gegründete Dutch West India Company aus den Niederlanden. 1699 bis 1725 wurden über 30 Tausend Stoßzähne exportiert, meistens auf Schiffen die direkt zwischen der afrikanischen Westküste und Niederlanden fuhren. Also etwa 210 Tonnen binnen 30 Jahre. Die Quelle des Guts für den Export von Stoßzähnen lag an der afrikanischen Westküste, dem Senegal Fluss bis hin zu Kamerun.
Aufgrund der protestantischen Prägung der Stadt zu der Zeit gab es in Nürnberg nicht genug Abnehmer für vollplastische Elfenbeinstatuen und anderer religiöser Gegenstände außer Kruzifixe. Daher wurde Elfenbein hauptsächlich in andere Gegenstände verarbeitet wie zum Beispiel Dosen, Büchsen, Kämme, Schachfiguren, aber auch mit anderen Materialien kombiniert und als Einlegearbeiten verwendet. Insbesondere eignete sich das Material für feine und detaillierte Bearbeitung, womit es vor allem gern für Kunstdrechselarbeiten verwendet wurde.
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Literatur
- Braun, Helmut. Scholz, Rüdiger: Spuren des Glaubens: Kirchenschätze im Erlanger Raum. Erlangen 2005. S. 221
- Feinberg, Harvey M.; Johnson, Marion:The West African Ivory Trade during the Eighteenth Century. In: The International Journal of African Historical Studies Band 15. Boston University African Studies Center 1982. S. 435-453.
- Herzog, Erich, Reß, Anton: Elfenbein, Elfenbeinplastik. In: Reallexikon zur Deutschen Kunstgeschichte, Bd. IV (1957), Sp. 1307–1362; in: RDK Labor, URL: <http://www.rdklabor.de/w/?oldid=93178> [14.12.2020].
- Schiedlausky, Günther: Elfenbein. In: 1962: Anzeiger des Germanischen Nationalmuseums. Nürnberg 2017. S.186-187.
- Timann, Ursula: Die Dreifaltigkeitskirche Erlangen-Altstadt: 1721-1996. Festschrift zur 275-Jahrfeier des Wiederaufbaus. FS Erlangen, 1996.